Im Kaufbeurer Kellerclub Uncle Satchmo’s war am vergangenen Freitag einer der Altmeister des deutschen Kabaretts zu Gast: Klaus Peter Schreiner, seit 1955 aktiv, Hausautor der Münchner Lach- und Schießgesellschaft und langjähriger Mitstreiter von Dieter Hildebrand, regte mit seinem geschliffenen Wortaberwitz die literarischen Geschmacksnerven des begeisterten Publikums so fein an, dass es sich gar nicht satthören konnte.

Nach anfänglichen Versen über den männlichen Cabaret-Besucher ging Schreiner gleich voll in die Politik – die von Adenauers Wahlkampfplattitüden zwar aus dem Jahre 1957, als die junge Republik noch voller alter Nazibonzen steckte, die in der SPD den Garanten für den Untergang Deutschlands wähnten. Obwohl sie doch selbst darin Profis waren! Weiter ging der meistersati(e)rische Reigen dann über das neu definierte Märchen „Null Bock und die 7 Geißlein“ und die Poetik von Zeitungsüberschriften zur geistig-moralischen Wende von 1982, auf köstliche Weise in eine geophysikalische 90-Grad-Drehung der BRD umfunktioniert.

Weit gespannt und immer wieder hochaktuell blieb der Themenbogen bis zum Ende, und von Öko bis Mikroelektronik, vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit bis zum Behördenschwachsinn, von der Verpflichtung des Eigentums bis zum „Angstfreien Batiken mit Hildegard von Bingen“ weckte der Meister mit seinen Satiren das Verlangen nach mehr von dieser fast ausgestorbenen Art von geistvollem, feinem und dabei doch messerscharfem Kabarett. Die eingestreuten neuerzählten Märchen, etwa vom unerlösten Froschkönig oder vom geldmachenden Rumpelstilzchen, sind originell und voller überraschender Wendungen, die Reime erinnern in der Qualität an Kästner, Roth und Ringelnatz, und Schreiners Betrachtungen zu Fahne und Bettlaken sollte man direkt als Pflichtlektüre für alle Teilnehmer an der dämlichen Nationalstolzdebatte fordern.

Wenn dann ein höchst lebendiger, kluger und freundlicher älterer Herr wie Klaus Peter Schreiner schließlich, den Gehstock in der Hand, aus den vorgeschriebenen Minutenwerten für bestimmte Verrichtungen in der Altenpflege vorliest, schleicht ein Grauen durch den Raum, wie es echte Satire kaum erzeugen kann. Und man kann verstehen, dass der 70jährige für seine Grabinschrift vorschlägt: „Hier liegt ein Satiriker – es wurde immer schwieriker!“

Gut, dass er uns danach noch ein fröhlicheres Betthupferl mit auf den Weg gegeben hat!

 

30.03.2001 – Klaus Büttermann