Roger Pabst ließ bei Satchmo’s die „Ol‘ blue eyes“ aufleben

Wer an diesem winterlichen Abend die Stufen ins Uncle Satchmo’s hinunterging, fühlte sich in einen Jazzkeller der Dreißigerjahre versetzt. Roger Pabst und seine „Swingin Strangers“ vermittelten in ihren tadellosen Anzügen nicht nur oberflächlich das Gefühl, „on the sunny side of the street“ zu stehen. Der Berliner im eleganten Zweireiher mit Krawatte, schwarz-weißen Schuhen und Hut am Retro-Mikrofon, lässig eine Hand in der Jackettasche, erzeugte mit seinen Musikern eine ganz besondere Jazz-Club-Atmosphäre.

Mit Charme und dem Lächeln des Originals auf den Lippen imitierte er an diesem Abend „Frankieboy“ Sinatra. Effektvoll ließ Roger Pabst mit seiner dreiköpfigen Combo die amerikanische Film- und Musiklegende wieder aufleben. Dabei baute er sein Programm chronologisch nach dem musikalischen Leben Sinatras auf und würzte es immer wieder mit kleinen Anekdoten und Geschichten aus dem Leben von „Ol‘ blue eyes“. Dabei war von Musicalmelodien wie „I could have danced all night“ (aus „My Fair Lady“) über Swing, Dixie, Boogie, Samba und Jazz alles geboten.

Der Charme der alten Zeit

Die Musik stammte zum großen Teil von Gershwin, Rodgers, Porter und Weill. In originelle Versionen verpackt, schöpften die vier Vollblutmusiker aus dem Leben für das Leben. Dabei bildete Sänger Pabst mit dem brillanten Klarinettisten und Saxophonisten Thomas Walter-Maria, dem markant musizierenden Ralf Ruh an der Hammondorgel und dem exzellenten Schlagzeuger Jan Leipnitz eine wunderbare Einheit, die in Wort und Ton den Charme alter Zeiten aufleben ließ. Aus der Vielfalt der Jazzrichtungen, die alle ihre Wurzeln im Worksong, dem Blues, dem Spiritual und dem Ragtime haben, kamen insbesondere Swingrhythmen in unzähligen Varianten zu Gehör, die historisch gesehen ihre volle Ausprägung zwischen 1930 bis 1945 erhielten. Das war kein Interpretieren von verfestigten Strukturen, es war ein echtes Musizieren, Ausleben und meisterliches Zitieren bekannter musikalischer Passagen. Von „Somebody loves me“, „Chicago“, „Winter in Vermont“ und anderen Evergreens bis hin zu Welterfolgen wie „New York, New York“ und „My Way“ reichte die kurzweilig angelegte Programmauswahl.

Da war die Lautstärke der Räumlichkeit angemessen, Akzente wurden wohl durchdacht gesetzt, immer wieder erreichten die mitgehenden Zuhörer neue Klangfarbentupfer, die nuancenreich ausgestaltet wurden. Auch die thematische Verarbeitung von Motiven, die melodischen und rhythmischen Reihen oder das Swing-Feeling in der Phrasierung ließ dieses reichlich zweistündige Konzert sehr kurzweilig erscheinen. Die Begeisterung des Publikums war denn auch angemessen – lange vor den erklatschten Zugaben war vergessen, dass „The Voice“ an diesem Abend nicht aus New Jersey, sondern vom Prenzlauer Berg gekommen war.

 

Allgäuer Zeitung, 24.11.2005 – Elisabeth Klein