Die Alt-Revoluzzer Weiss und Sommerwerk bieten sanften Humor und feinen Spott

Kaufbeuren Trollius Weiss ist Preuße, Willi Sommerwerk ist Bayer. Beide sind Liedermacher, und zusammen waren sie im Kaufbeurer „Uncle Satchmo’s“ zu Gast. Weiss und Sommerwerk gehören zu einem Berufsstand, der nicht gerade dafür bekannt ist, größere Vorurteile mit sich herumzutragen. Der Beruf des Liedermachers, so jedenfalls will es das Klischee, entstammt einer Zeit, als alle Menschen noch irgendwie Brüder waren, sich auf riesigen Freiluftkonzerten namens Woodstock trafen, um dort gemeinsam und total friedlich größere Mengen narkotisierender Hanfprodukte zu konsumieren. Nicht zu erwarten ist andererseits, dass der jeweils eine nicht damit klar käme, dass der jeweils andere Bayer beziehungsweise Preuße ist. Aber darauf kommt es gar nicht an. Wichtig ist, dass ein Grundthema vorhanden ist, aus dem sich trefflich Witze fabrizieren lassen.

Mehr als ein Aufhänger allerdings, ein Motto, das man als Aushängeschild vor sich hertragen kann, sollte diese Thematisierung der bayerisch-preußischen Erbfeindschaft aber wohl nicht sein. Das wurde jedenfalls schon zu Beginn des Abends schnell klar. Weiss & Sommerwerk gehören einer Generation an, in der sich alle total lieb haben (außer Fundis und Realos) und man allenfalls ganz sanfte Witze über einander machen würde, die man noch dazu in ganz dicke Anführungszeichen setzt, damit der Angesprochene auch ja nichts missverstehen kann. Andererseits ist so eine Grundhaltung auch nicht von Nachteil. Weiss und Sommerwerk tun niemandem weh, ihre Ironie verletzt nicht und sie ist vor allem nicht aggressiv, nicht laut, nicht dominant. Hier haben sich zwei auf alte Werte besonnen und gehen mit feinem Spott und sprachlicher Sorgfalt zu Werke.

Hit des Abends ist sicher das „Basis-Chakra“ von Trollius Weiss. In einen einzigen Song hat Weiss den gesamten Grundwortschatz der Esoterik-Szene gepackt, er entlarvt ihre nicht selten hohle Terminologie und erzählt nebenbei eine höchst witzige Nonsens-Geschichte. Auch nicht schlecht ist die Ballade von der Deutschen Revolution, die an einem Dienstagmorgen um 10 Uhr stattfinden soll. Leider hat an einem gewöhnlichen deutschen Dienstagmorgen niemand Zeit zum Revolution machen, weil alle Menschen mit sich selbst beschäftigt sind. Für einen überzeugten Alt-68er ist das natürlich ein unerträglicher Zustand, schließlich hat man selbst die besten Jahre geopfert, um der Revolution auf die Füße zu helfen.

Auch TV-Voyeurismus, Psychotherapie oder Internet-Manie geben ähnlich dankbare Themen für Songs ab, die immer mit präzisem Sinn für den sprachlichen Witz ins Werk gesetzt sind: „Du bist meine Vollversion – mein Gigaher(t)z fliegt himmelwärts“ heißt es im „Online-Lover“, einem Song, der das „digitale Liebestrauma“ einer ganzen Generation auf die Schippe nimmt. Dazwischen gibt es immer wieder lange, sanfte Balladen und Liebeslieder, Reminiszenz an eine Zeit, als Reinhard Mey noch ganze Generationen verzauberte – Generationen, die es natürlich immer noch gibt, ein wenig älter, ein wenig ruhiger geworden. Schöne, gefühlvolle Stücke für Menschen, die so etwas eben mögen. Das Publikum im „Satchmo’s“ ließ sich verzaubern und war sichtlich angetan von den Träumereien wie vom sanften Humor der beiden sympathischen Songpoeten.
André Krellmann