Große Klasse: Das Max Greger junior Quartett

Graupelschauer, Matsch, Eisklumpen – ganz egal, nach diesem Abend kann der Winter ruhig kommen: „Let it snow“, immer runter mit der weißen Pracht. Ein Konzert mit dem Max Greger junior Quartett genügt und die ungemütlichste aller Jahreszeiten verliert ihren Schrecken. Kurz vor dem Start ihrer „Swinging Christmas“-Tournee gastierte die Band mit ihrem Programm „Swing Time im Herbst“ im Uncle Satchmo’s.

Vorweg ein Hinweis für alle Dixie-Frühschopper und Fußballer: Das Greger-Quartett, das ist Championsleague, die anderen spielen Regionalklasse. Die Namen allein bürgen für Qualität. Rocky Knauer, ein vielbeschäftigter Bassist, der sich auch in einer Hardrock-Band gut halten könnte. Am Schlagzeug Max Kinker, ein diabolischer Drummer, der nur so aussieht wie der netteste aller Lieblings-Schwiegersöhne. Am Piano Max Greger junior, genetisch vorbelasteter Bandleader, der Musik lebt und nicht nur macht. Und zum Drüberstreuen Nina Michelle, eine klassisch ausgebildete, jazzverliebte Sängerin wie aus einem Humphrey-Bogart-Film.

Perfekter Sound war bei dieser Top-Besetzung also zu erwarten. Doch wie locker-lässig die vier Profis aus Bayern und Kanada dahin swingen, das macht einfach fassungslos. Man hat den Eindruck, die vier sind nur mal eben bei guten Freunden vorbeigekommen, um ein bisschen Musik zu machen: Greger, so sieht es aus, verscheucht mit seinen schlanken Fingern ein paar Fliegen auf den Piano-Tasten, während Kinker lächelnd den Stahlbesen rascheln lässt und Knauer cool-gelangweilt seinen Kontrabass zupft. Jeder Akkord, jeder einzelne Ton dabei in Studioqualität. Wie machen die das? fragt man sich unwillkürlich.

Bevor man sich weiter das Gehirn zermartert, hat Nina Michelle ihren Espresso ausgetrunken und geht zur Bühne. Doch nach dem ersten Song der aparten Vokalistin aus Vancover ist das Rätselraten noch größer. Wie macht sie das nur? Wie aus dem Nichts ist sie da, diese leicht rauchige, verwirrend schöne Stimme, die traurige Lieder von Nina Simone und Billy Holliday so schmerzhaft authentisch singt, wie man es nur nach einem ebenso tragischen Leben rüberbringen kann – mit prügelnden Ehemännern, Alkohol, Drogen und dem ganzen anderen Mist. Doch auf die Frage in der Pause reagiert sie nur amüsiert: Nein, sie hat keine schlechte Kindheit gehabt, ganz im Gegenteil; nein, sie raucht auch nicht, hat sie noch nie.

Die Hingabe zur Musik, meint sie mit einem charmanten Lächeln, die komme wohl von ihrem Vater. Dass der selbst ein bekannter Pianist und Kollege von Dizzy Gillespie war, erwähnt sie nicht. Sie ist Teil der Band, nicht der Star. Eine Einstellung, die auch ihre drei Kollegen teilen. Jeder ein Ausnahmemusiker für sich, doch der Sound geht vor. Selbst das orgiastische Solo von Max Kinker bei Duke Ellingtons „Caravan“ ist trotz aller Furiosität genau getimt und so dezent gespielt, dass auch in den Vollgaspassagen jedes Detail herauszuhören ist. Ein Genuss wie alle anderen Soloeinlagen, die vom Publikum mit stilvoll dosierten Zwischenapplaus honoriert wurden.

Ein hochklassiges Musikerlebnis, das wohl nur getoppt werden kann, wenn aus dem Quartett ein Quintett wird. Bei der „Swinging Christmas“-Tournee, sagt Max Greger zum Schluss im breiten Münchner Dialekt, „da ham wir no an schwoarzen Sänger dabei, den Tony Bulluck. Des wiard ganz guat“.

 

Allgäuer Zeitung, 16.11.2006 – Otto Fritsch

Foto: Wild